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Vom Grunewald über West-Berlin
auf die Weltkarte:
Die Geschichte des
Berlin-Marathons


Vom Grunewald über West-Berlin auf die Weltkarte:
Die Geschichte des Berlin-Marathons

Als am 13. Oktober 1974 der 1. Berliner Volksmarathon im Grunewald startete, fanden sich 286 Teilnehmer vor dem Mommsenstadion im Berliner Westend ein und absolvierten die 42,195 Kilometer auf einer Pendelstrecke entlang der Avus, die zweimal zu absolvieren war. Die ersten Sieger waren Jutta von Haase (LG Süd) in 3:22.01 und Günter Hallas (LG Nord) in 2:44:53.

Horst Milde, Initiator und Spiritus Rector dieser Premiere, und sein Team vom SC Charlottenburg waren motiviert durch eine Veranstaltung des Berliner Leichtathletik-Verbands, bei der ein Jahr zuvor, im Herbst 1973, bei einem „Langstreckentag“ gerade einmal 92 Läuferinnen und Läufer angetreten waren bei dem als „Internationaler Marathonlauf in Berlin“ bezeichneten Lauf. In den Siebziger Jahren entwickelte sich die Veranstaltung von Jahr zu Jahr weiter. Ab der dritten Auflage Ende September 1976 wurde sie dann als BERLIN-MARATHON bezeichnet, weiterhin verbunden mit einem 25-km-Lauf wie schon in den Vorjahren.

Die Teilnehmerzahlen erreichten auf der Grunewaldstrecke zwischen 1974 und 1980 maximal 397 Läufer. Über die Stadtgrenze hinaus bekannt wurde der Lauf dann 1977, als beim 4. BERLIN-MARATHON auf dieser Strecke die Deutschen Marathonmeisterschaften integriert waren. Christa Vahlensieck (Wuppertal) siegte in der Weltrekordzeit von 2:34:47,5. Es fanden de facto am 10. September 1977 drei Marathonläufe am selben Tag statt: Vormittags der Lauf für alle, nachmittags zeitversetzt die Meisterschaftsläufe der Frauen und Männer in separaten Rennen. Beim Meisterschaftsrennen den Männern siegte der gebürtige Berliner Günter Mielke (VfL Wolfsburg) in 2:15:18, der schnellsten Zeit auf der „Waldstrecke“ 1974-1980. Sieger des Volkslaufs war der Brite Norman Wilson (2:16:20), Angelika Brandt war die erste Frau (3:10:26).

Den großen Durchbruch schaffte der Lauf im Jahr 1981, als er zum ersten Mal durch die Innenstadt Berlins führte.

Katalysator für diesen Schritt war ein 25-km-Lauf, der auf Initiative der französischen Alliierten durch die Straßen von West-Berlin führte und aufgrund des Machtgefüges der Besatzungszeit anstandslos genehmigt werden musste. Mit der Berufung auf Gleichbehandlung klopften dann die Verantwortlichen des SCC bei den Behörden Berlins an. Nach vielen Widerständen sorgte der damalige Chef der Politischen Abteilung der US-Mission in Berlin und nachmaligen Botschafter der U.S.A. in Deutschland, John Kornblum, für den Durchbruch, als er die Genehmigung für die Nutzung der Kochstraße am berühmten Checkpoint Charlie bei der Polizei erzwang. Denn die Querung der Kochstraße musste für Diplomaten und Ausländer ständig möglich sein.

Am 27. September 1981 um 9 Uhr standen dann 3.486 Läuferinnen und Läufer aus 30 Nationen auf der großen Wiese vor dem Reichstag und liefen zum Ziel auf dem Kurfürstendamm, begeistert gefeiert von einer Zuschauerkulisse von schätzungsweise 250.000 Menschen. 2.583 Teilnehmer erreichten das Ziel, allen voran Ian Ray (GBR, 2:15:41) und Angelika Stephan (LG Kassel, 2:47:23). Eine Novität war die Beteiligung von Rollstuhlfahrern bei einem großen Marathon: Der Österreicher Georg Freund siegte in einem herkömmlichen Fahrgerät in 2:08:44.

Mit der Popularisierung des Laufsports in den achtziger Jahren, ausgelöst auch durch den überwältigenden Erfolg des BERLIN- MARATHONS und anderer City-Marathons in der Bundesrepublik (Frankfurt, München, Hamburg) änderten sich die Denkweise und die Haltung der Behörden gegenüber dem Sport und seinen Anliegen. Auch in der Leichtathletik-Hierarchie des Verbandes und der Vereine veränderten sich die Perspektiven, dort allerdings eher langsam. Die Leichtathletik drängte mit dem Laufsport weg vom Stadion und Wald auf die Straßen.

In Berlin vollzog sich mit dem Marathon die Wende, als zunehmend international beachtete Siegerzeiten die Listen füllten. Die Teilnehmerzahlen gingen nach oben und gipfelten bei 25.000 beim „Vereinigungs-Marathon“ Ende September 1990, wenige Tage vor der offiziellen Einheitsfeier. Das Startgelände war schon 1987 aufgrund der gestiegenen Teilnehmerzahlen von der Reichstagswiese auf die Straße des 17. Juni umgezogen, das Ziel weiterhin am Kurfürstendamm bzw. auf der Tauentzienstraße. 1990 startete das Feld am Charlottenburger Tor und erreichte nach knapp 3,5 Kilometern das wieder geöffnete Brandenburger Tor, Wahrzeichen der deutschen Trennung bzw. Einheit.

Die Sieger dieses bemerkenswerten Laufs unterstrichen geradezu die Symbolhaftigkeit dieses Laufs: Der Australier Steve Moneghetti vertrat mit seiner Zeit von 2:08:16 nicht nur die Weltklasse, sondern auch die Internationalität des Marathonlaufs, während Uta Pippig, geboren in Leipzig, mit ihrer Ost-West-Vergangenheit die Zerissenheit und gleichzeitig die Wiedererlangung der Einheit Deutschlands symbolisierte. Sie siegte in damals hochklassigen 2:28:37. Ende der 90er Jahre stieg die Teilnehmerzahl erst allmählich wieder an, nachdem sie ab 1991 erst einmal um bis zu einem Drittel unter das Niveau des 1990-er Marathons zurückgefallen war. Erst ab 2.000 stieg die Zahl stärker an.

Der BERLIN-MARATHON machte seit Ende der 90er Jahre mehr oder weniger regelmäßig mit Weltklasse-Zeiten weltweit Furore. Beim 25. Jubiläumsmarathon 1998 gab es durch den Brasilianer Ronaldo DaCosta erstmals  einen Marathon-Weltrekord der Männer in Berlin (2:06:05), gefolgt vom Frauen-Weltrekord ein Jahr später durch die Kenianerin Tegla Lorupe (2:20:43). 2001 unterbot die Japanerin Naoko Takahashi als weltweit  erste Frau die Marke von 2:20 Stunden mit ihrer Siegerzeit von 2:19:46. Die flache Strecke des BERLIN-MARATHONS in Kombination mit zumeist idealen Witterungsbedingungen Ende September taten ihr Übriges, den Lauf in aller Welt bekannt zu machen.

Eine entscheidende Änderung verhalf der Veranstaltung zu weiterem Erfolg: Die Verlegung des Zieles 2003 auf die Straße des 17. Juni mit dem Brandenburger Tor im Hintergrund sorgte für ikonische Werbefotos in allen Medien. Gestartet wurde ebenfalls auf dem 17. Juni, ähnlich wie Ende der 70er Jahre, allerdings mit neuem Streckenverlauf über Ernst-Reuter-Platz, Moabit und Regierungsviertel mit einer Schleife durch das ehemalige Ost-Berlin zum Potsdamer Platz. Von dort verlief die Strecke weitgehend ähnlich wie zuvor. Diese Neuerung wurde passenderweise mit einem recht spektakulären Weltrekord gekrönt, als sich der versierte Cross- und Bahn-Langstreckler Paul Tergat (Kenia) mit seinem letzten verbliebenen Konkurrenten und Landsmann Sammy Korir bis zum Zielstrich duellierte und mit einer Sekunde Vorsprung gewann (2:04:55).

Von 2003 bis 2022 fand jeder weitere Männer-Weltrekord in Berlin statt: 2007 Haile Gebrselassie (ETH, 2:04:26), 2008 Haile Gebrselassie (2:03:59), 2011 Patrick Makau (KEN, 2:03:38), 2013 Wilson Kipsang (KEN, 2:03:23), 2014 Dennis Kimetto (KEN, 2:02:57), 2018 Eliud Kipchoge (KEN, 2:01:39), 2022 Eliud Kipchoge (2:01:09). 2023 gab es in Berlin nach 2001 wieder einen Frauen-Weltrekord: Die Äthiopierin Tigst Assefa unterbot bei ihrem Sieg am Brandenburger Tor in 2:11:53 Stunden die bisherige Bestmarke der Kenianerin Brigid Kosgei (2:14:04, Chicago 2019) um 2:11 Minuten. Insgesamt gab es in Berlin bis einschließlich 2023 dreizehn Weltrekorde auf der Marathondistanz.

2004 gab Horst Milde mit 65 Jahren den Stab des Race Directors weiter an seinen Sohn Mark, der ja quasi mit dem Marathon groß geworden ist (Jahrgang 1973) und bis heute diese Position mit Erfolg bekleidet. Nach einer Übergangsphase mit dem langjährigen Schatzmeister des Vereins, Rüdiger Otto, als Geschäftsführer der SCC | EVENTS GmbH (2004 bis 2013), bekleiden Christian Jost und Jürgen Lock seit 2010 dieses Amt, nachdem sie bis dahin als Stellvertreter fungiert hatten (Christian Jost war zuvor schon von 1997 bis 2002 Geschäftsführer).
Die GmbH war Mitte der 80er Jahre ins Leben gerufen worden, um die finanziellen und steuerlichen Belange des SC Charlottenburg e.V. zu regeln, schließlich war der Berlin-Marathon zunehmend auch in wirtschaftlicher Hinsicht zu steuern und nannte sich bis 2010 SCC Running ab 2011   dann SCC | EVENTS.
Heute beschäftigt die SCC | EVENTS GmbH über 90 festangestellte Mitarbeiter und richtet 17 Ausdauer-Veranstaltungen aus. Neben den traditionellen Lauf-Events wie Marathon, Halbmarathon, oder Frauenlauf zählen dazu auch eine SwimRun-Veranstaltung in Rheinsberg, eine Marathon-Team-Staffel in Brandenburg a.d. Havel, ein Radrennen (VeloCity) und neuerdings ein Wandermarathon (Hiking Hero) in und um Bernau.

Der BERLIN-MARATHON wuchs seit 2012 mit dem Titelsponsor BMW auf über 50.000 Teilnehmer und zählt seit 2006 zur internationalen Vereinigung der World Marathon Majors, die seit etlichen Jahren von Abbott unterstützt wird, einem US-amerikanischen Medizin-Unternehmen. Dazu zählen die Marathonläufe von London, Tokio, Boston, Chicago und New York. 2010 beschloss die Geschäftsleitung von SCC Events, die TV-Produktion selbst in die Hand zu nehmen, um nicht von der Gnade von TV-Sendern abhängig zu sein. Dies wird seither erfolgreich gehandhabt und ist in der Marathonwelt bisher ohne Beispiel. 2023 übertrug Eurosport 1 den Lauf.

Machten bis in die 90er Jahre Teilnehmer aus Dänemark den Hauptanteil der internationalen Läuferinnen und Läufer aus, sind es heutzutage US-Amerikaner, die die Tabelle der größten Teilnehmer-Kontingente anführen (5.432) vor Großbritannien (3.766) und China (2.117). 2023 wurden Anmeldungen aus über 150 Nationen verzeichnet.


 Stand vom 09. Oktober 2023